Plankstädter Projekt macht Bürger zu Busfahrern

aus der Rhein-Neckar-Zeitung vom 22. Mai 2016:

Von Sabine Hebbelmann und Harald Berlinghof

Der Bürgerbus soll helfen den Nahverkehr zu erschließen – Ehrenamtliche Fahrer sollen dabei ihre Mitbürger fahren – Dielheim und Mauer könnten nachziehen

Gesunde Natur oder frische Luft: Das Landleben hat seine Vorzüge. Zu den Nachteilen gehören jedoch vielerorts lange Wege und eine schlechte Erschließung durch den öffentlichen Nahverkehr. An Orten, wo sich für Verkehrsunternehmen aufgrund niedriger Fahrgastzahlen kein Linienverkehr lohnt, haben die Einwohner begonnen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie wollen mit eigenen Fahrdiensten ergänzende Mobilitätsangebote schaffen.

"Bürgerbus" heißt das Modell, bei dem ehrenamtliche Fahrer ihre Mitbürger mit einem Kleinbus durch die Gemeinde chauffieren, meist nach einer festgelegten Route mit Haltestellen. In Baden-Württemberg gibt es inzwischen über 30 Bürgerbusprojekte. Die meisten haben sich im Landesverband "Pro Bürgerbus Baden-Württemberg" zusammengeschlossen.

Im Mai 2013 gründete sich auch in Plankstadt ein Bürgerbusverein - der erste im Rhein-Neckar-Kreis. Das Projekt schleppte sich zunächst so dahin und stand sogar kurz vor dem Scheitern. Die Kosten für eine gemeinsame Busvariante mit dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) wären dreimal so hoch gewesen wie jene, die jetzt auf den Verein zukommen, wenn der Bus von ehrenamtlichen Fahrern gesteuert wird.

Insgesamt rechnet man über eine Laufzeit von acht Jahren hinweg mit einem Betrag, der sich um die 200 000 Euro bewegen könnte. Der Plankstadter Bürgerbus nahm am 21. März den Betrieb auf. Das Herzstück des Projekts sind die elf ehrenamtlichen Fahrer mit Personenbeförderungsschein, die sich für den Betrieb des Busses zur Verfügung stellen. Der Wagen auf Basis eines Mercedes-Sprinters ist leicht zu steuern, weil er Automatikgetriebe besitzt.

Der Plankstadter Bus wurde im vergangenen Herbst in Mannheim gekauft und bei einer Regensburger Firma zum barrierefreien Niederflur-Fahrzeug umgebaut. Die Kosten lagen bei etwa 95 000 Euro, die der Gemeinderat zur Verfügung stellte. Was es bei dem Projekt Bürgerbus zu beachten gilt, erfuhren rund 60 Teilnehmer bei einem Praxisworkshop des Verkehrsministeriums und der Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg im Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises.

Martin Schiefelbusch von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) wies darauf hin, dass an Bürgerbusse und ihre Aktiven als Teil des öffentlichen Verkehrsangebotes eine Reihe formaler Anforderungen gestellt werden. Dazu gehören die Verlässlichkeit des Angebots und die Schulung der Fahrer. Schiefelbusch riet, sich mit Bus- und Taxiunternehmen abzustimmen und wie in Plankstadt einen Bürgerbusverein zu gründen. "20 Aktive sollte man schon haben", meinte er.

Dann komme jeder ein- oder zweimal im Monat an die Reihe. Für einen Kleinbus mit minimalen Anpassungen müssten etwa 30 000 bis 40 000 Euro angesetzt werden. Zusatzausstattungen für Barrierefreiheit oder besondere Antriebe könnten hier noch erheblich zu Buche schlagen. Für den Probebetrieb könne aber auch ein gebrauchtes Fahrzeug, ein Mietfahrzeug oder ein bereits bei anderen Einrichtungen vorhandenes Fahrzeug ausreichen.

Anfangs seien die Bewohner noch skeptisch gewesen, berichtete Markus Weyhing über den Bürgerbus Bad Wimpfen, der seit fünf Jahren in Betrieb ist und zu den Vorreitern in der Region gehört. "Des wird eh nix", hätten viele gesagt, hinter dem Vorhang die Sache kritisch beäugt und schließlich festgestellt: "Du, da hocke ja doch Leut' drin!" Inzwischen befördert der Bürgerbusverein an die 12 000 Fahrgäste im Jahr.

Der Fahrpreis für eine Strecke beträgt genau ein Euro. Nebenbei fördert das Projekt auch Kommunikation und persönliche Kontakte unter den beteiligten Bürgern. Vorgestellt wurde auch der E-Fahrdienst der Bürgerinitiative "Wir verbinden Boxberg" aus dem Heidelberger Stadtteil. Projektleiter Benedikt Krams nannte als Ziel neben der Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum auch die Umstellung von Fahrzeugen auf die Elektroantriebstechnik.

Wie von Hauptamtsleiter Manfred Heinisch am Rande der Veranstaltung zu erfahren war, will auch die Gemeinde Dielheim ein Bürgerbusprojekt starten, vor allem um die Ortsteile besser zu versorgen und Ziele wie Einkaufsmärkte, Kindergärten oder den Friedhof anzubinden. "Der Friedhof ist ein Kommunikationszentrum, dort trifft man sich", sagte ein Teilnehmer und nannte als Beispiel die Gemeinde Mauer, die einen eigenen "Friedhofsbus" hat und aktuell darüber nachdenke, diesen zum Bürgerbus auszubauen.

Info: Das Land Baden-Württemberg unterstützt Initiativen, die Bürgerbusse in Fahrt bringen wollen, und hat einen Leitfaden herausgebracht, der auch im Internet verfügbar ist. Ansprechpartner ist das Kompetenzzentrum Innovativer ÖPNV für den ländlichen Raum bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW), das Infos und Beratung zum Thema Bürgerbus bietet.