Ein Seniorentreff auf Achse

Aus der Stuttgarter Zeitung, Strohgäu Extra, vom 14.03.2017

Der Bürgerbus hat sich längst zu einem kleinen Treffpunkt auf Rädern entwickelt

von Berkan Cakir

Korntal-Münchingen. Den Hang hinauf geht es nicht mehr so gut. Bis vor einem Jahr konnte der ältere Herr sogar noch selbst Auto fahren. Aber inzwischen braucht der 81-Jährige eine Gehhilfe. "Da kommt der Bürgerbus ganz gelegen", sagt er. Seit er kaum noch einen Schritt vor den anderen setzten kann, ist er auf das alternative Transportmittel angewiesen. Denn die Busse des öffentlichen Personennahverkehrs fahren  nicht in jede Ecke der Stadt. Der Bürgerbus hingegen schlüpft auch durch die engsten Gassen, düst bis hin zum äußersten Stadtrand und gabelt die Bürger auch jenseits der Haltestellen auf - ein Wink mit der Hand genügt.

Seit sieben Jahren fährt der Bürgerbus nun durch Korntal, Münchingen und Kallenberg. Im Landkreis Ludwigsburg ist das mit bürgerschaftlichem Engagement betriebene Verkehrsangebot außerdem in Marbach und in Freiberg etabliert. Die Kundschaft: überwiegend ältere Menschen, deren Beweglichkeit nicht mehr das ist, was sie einmal war.

Die meisten Senioren nutzen den Bus, um ihre Einkäufe zu erledigen. In Korntal führt sie das an die Johannes-Daur-Straße, die auf den Fahrplänen einen Knotenpunkt darstellt. In drei Schleifen - rot, grün und blau - fährt der Bus die gesamte Stadt ab und alle starten und enden an eben jener Straße, wo die kleine Einkaufsmeile, der Edeka und donnerstags der Wochenmarkt die Bürger anziehen. "45 Minuten reichen", sagt der 81-Jährige und meint damit den Einkauf. Dann geht es mit der nächsten Tour wieder nach Hause.

Kutschiert werden die Fahrgäste von 24 ehrenamtlichen Fahrern. Einer von ihnen ist Helmut Weiser. Der 72-Jährige ist seit den Anfängen des Bürgerbusses in Korntal-Münchingen dabei. "Ich wollte als Rentner nicht zu Hause sitzen", sagt der Diplom-Ingenieur, der in seinem Berufsleben lange Jahre mit dem "Computer verheiratet" war, wie er sagt.

Jetzt sitzt er hinter dem Steuer des Kleintransporters, der insgesamt acht Personen aufnehmen kann, und lenkt ihn durch die Korntaler Straßen. "Man hilft den Leuten, und sie sind dankbar dafür", sagt Weiser. Hin und wieder fahren die Leute auch so mit - ohne Ziel, ohne Zeitdruck. Man plaudere, so Weiser. Das Einsteigen koste immerhin nur einen Euro. Wenn Weiser gelangweilte Jugendliche sieht und es genügend Platz im Wagen gibt, nimmt er sie kostenlos mit auf eine Spritztour. Manchmal hat einer von den Älteren eine Brezel dabei für ihn. "Manchmal auch einen Piccolo", sagt Weiser und lacht.

Der Bürgerbus ist längst nicht mehr nur ein Transportmittel für die Korntaler Senioren geworden. Man kennt sich, man vertraut sich. Es sind meist immer dieselben Gesichter, die an denselben Tagen einsteigen. Früher hätte es einen blinden Herrn gegeben, der immer an der Ulrich-vonHutten-Straße eingestiegen sei, so Weiser. Aber er steht schon lange nicht mehr dort. Weiser vermutet, dass er gestorben ist. Und das sei vielleicht das Traurige am Job. "Die Stamkundschaft wechselt aus bioloischen Gründen schnell", sagt Weiser.