Beispielhafte Beratung durch den Landesverband

Aus der Nürtinger Zeitung vom 30.06.2017

Von Jürgen Gerrmann

Aichtals Gemeinderat sagt grundsätzlich Ja – Nun soll geklärt werden, was möglich ist

Das Nahverkehrs-Angebot im Aichtal soll besser werden. Nicht zuletzt für ältere Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Man setzt dabei auf das Bürgerbus-Konzept: Vorgestern Abend gab der Gemeinderat grünes Licht dafür, abzuklären, was möglich ist und sich fürs Städtle eignet. Einstimmig.

AICHTAL. Für das Projekt hatte wohl nicht zuletzt Fred Schuster, Geschäftsführer des Vereins proBürgerBus Baden-Württemberg und Mitarbeiter der Stadt Wendlingen, der von Bürgermeister Lorenz Kruß als „Käpsele" vorgestellt worden war, durch einen detaillierten Sachvortrag das Gremium begeistert.

Er wies gleich zu Beginn darauf hin, dass es beim Bürgerbus nicht nur um Personenbeförderung gehe – mit diesem Projekt verbänden sich auch Kommunikation, soziale Teilhabe, Identifikation mit dem Gemeinwesen. Und es sei ein „weicher Standortfaktor" und gebe zudem den Fahrern Sinn.

„Das Projekt muss aus der Bürgerschaft heraus entstehen"

Fred Schuster, Bürgerbus-Experte

Im Detail präsentierte er die Wendlinger Erfahrungen, die hier nur kurz skizziert werden können: Haupt-Zielgruppe seien alte Menschen, die noch 300 Meter Fußweg bis zur nächsten Haltestelle zu Fuß gehen könnten (bei den herkömmlichen Buslinien beträgt der Regel-Abstand der Stopps 800 Meter). In der Stadt an der Lauter seien übrigens 95 Prozent der Nutzer Frauen.

Falls ein Minus entstehe, sei damit natürlich eine Bürgergruppe überfordert, deswegen übernehme bei den Bürgerbussen im Ländle in der Regel die Kommune den Abmangel. In Wendlingen habe man indes etwa 2015 sogar einen Überschuss erwirtschaftet (auch wegen der Sponsoren, die man gewonnen habe): „Und das ist eigentlich regelmäßig so. Zumindest Kostenneutralität ist drin. Und das sieht bei keinem Bürgerbus im Ländle großartig anders aus."

Schuster outete sich als „überzeugter Gegner von Nahverkehrsumfragen". Er setzt viel lieber auf Zielgruppenanalysen – also zu schauen, wo welche Altersgruppen wohnten, welche Fahrtbedürfnisse die hätten und welche Sozialaspekte eine Rolle spielten. Ganz wichtig dabei: „Das Projekt muss aus der Bürgerschaft heraus entstehen."

Es gelte Leute zu gewinnen, die im Ort verwurzelt seien, sich hier engagieren wollten und bei der Fahrersuche hülfen. In Wendlingen seien von ursprünglich 70 Interessierten 46 tatsächlich eingestiegen. Er sei aber überzeugt, dass sich auch schon mit 16 etwas Ordentliches auf die Beine stellen lasse.

Die Stadträte hatten danach doch noch einige Fragen. Dieter Weiler (FDP) wollte zum Beispiel wissen, ob Aichtal überhaupt groß genug für ein solches Projekt sei.

Schuster sah da kein Problem: die Größe der jeweiligen Bürgerbus-Kommunen schwanke zwischen 3000 und 30 000 Einwohnern.

Gunter Schaal (Bündnis 90/Grüne) begrüßte das Projekt vehement: „Wir müssen da ganz schnell einsteigen. Schließlich machen wir uns ja auch Gedanken über unsere Hallenbadauslastung und die örtliche Nahversorgung." Aber wie sei das mit den Haltestellen – brauche man da keine Infrastruktur? Doch, sagte Schuster: „Auch für den Bürgerbus müssen die beschildert und gesichert sei und ein Fahrplan dort aushängen."

Adalbert Bund (FDP) hielt auch angesichts der Tatsache, dass Aichtal aus drei Ortsteilen bestehe, das Projekt für sinnvoll. So sah es auch Jörg Kimmich (FUW): „Das Zusammenwachsen unserer Stadt muss gefördert werden. Und mit dem Bürgerbus können sich die alten Leute besser austauschen."

Wann denn die Bevölkerung in die Bedarfsplanung einbezogen werden solle, fragte Jörg Harrer (SPD/UL). Schusters Position: „Man muss direkt auf die Leute zugehen. Allgemeine Appelle bringen nichts." Als Einstieg sei die Entscheidung wichtig, was man möchte und was die Stadt leisten wolle. Danach gelte es, das Gespräch mit den Bürgern zu suchen.

Sehr wichtig sei es, das Gespräch mit den Busunternehmern, die die Aichtaler Linien führen, zu suchen und für ein gutes Miteinander zu sorgen.

Über eins müsse man sich freilich im Klaren sein: „Auch an einem niederschwelligen Angebot muss man arbeiten." Sicher, man könne auch mit einem Provisorium versuchsweise einsteigen. Davon halte er indes gar nichts.

Auch für den Bürgerbus seien nämlich Stetigkeit und Verlässlichkeit wichtig. Deswegen biete man etwa in Wendlingen einen durchgehenden Stundentakt an.